In Leipziger Discotheken gibt es rassistische Einlasskontrollen…
Das Antidiskriminierungsbüro Sachsen testete im Jahr 2011 gemeinsam mit dem StudentInnenrat der Uni Leipzig zum wiederholten Mal die Einlasspraxis von Discotheken. Dabei wurde die Türpolitik von insgesamt elf Diskotheken und Clubs in der Leipziger Innenstadt geprüft. Zuerst versuchten drei Testpersonen mit Migrationshintergrund und unmittelbar danach drei Testpersonen ohne erkennbaren Migrationshintergrund Eintritt in die Lokalitäten zu bekommen. Die beiden Gruppen waren ähnlich gekleidet und ähnlichen Alters. Das Ergebnis war stichhaltig und ernüchternd: sechs der elf Clubs wurden rassistische Einlasskontrollen attestiert(1).
Die Diskriminierung aufgrund einer erkennbar anderen Herkunft zeigte sich dabei in der Regel nicht offen. Die TürsteherInnen brachten vorgeschobene Argumente vor, bspw. unpassender Dresscode, Altersgrenzen, Einlassstopp. Da die Abweisungen jedoch nur die Testpersonen mit Migrationshintergrund betrafen, die in jedem der Fälle vor den weißen Testpersonen in die Locations zu gelangen versuchten, kann ein Irrtum ausgeschlossen werden. Bereits 2006 und 2008 waren Tests mit ähnlichen Ergebnissen durchgeführt worden. Es handelt sich also keineswegs um eine neue oder gar punktuelle Erscheinung.
Wo Rassismus beginnt…
Rassismus bedeutet, dass Menschen aufgrund ihrer unterstellten anderen Herkunft(2) abgewertet und ausgeschlossen werden. Ein zentrales Moment rassistischen Denkens ist die pauschale Zuordnung der Individuen zu einem konstruierten Kollektiv („die AraberInnen“, „die AsylbewerberInnen“), dem bestimmte – zumeist negative – Eigenschaften zugeschrieben werden. So stehen Erzählungen über besonders sexistische und gewalttätige „arabische“ oder „afrikanische Männer“ weiterhin hoch im Kurs.
Es sind nicht zwingend neonazistische Hetze oder gewaltsame Übergriffe, mit der sich rassistische Einstellungen ausdrücken. Im Gegenteil: Alltagsrassismus ist tief im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert und äußert sich in mehr oder weniger subtilen Ausgrenzungsmechanismen. KeineR ist frei von solchen Denkweisen! Ziel muss es sein, sie offen zu legen und kritisch zu reflektieren.
Doch es geht nicht nur um eine Sache der Einstellung: Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wurde 2006 auch in Deutschland die rechtliche Grundlage gegen Diskriminierung im Arbeitsrecht, bei privatrechtlichen Verträgen, im Sozialrecht und in der Bildung geschaffen. Dies gilt auch für den Zugang zu Diskotheken und Clubs.
Klagen statt Verständigung…
Bevor das Ergebnis des 2011er Tests öffentlich gemacht wurde, versuchten ADB und StuRa mit den ClubbetreiberInnen ins Gespräch zu kommen. Deren Ziel war und ist nicht mittels einer vermeintlichen „Rassismuskeule“ zu denunzieren, sondern ein Bewusstsein für bewusste und unbewusste Diskriminierung zu schaffen. Angeboten wurden beispielsweise Schulungen für das Türpersonal. Außerdem ging es um die Vereinbarung klarer, transparenter und AGG-kompatibler Regeln für einen diskriminierungsfreien Einlass. Das ADB schlug eine entsprechende Überarbeitung der Hausordnungen, einen mehrsprachigen Aushang über Einlasskriterien und ein transparentes Beschwerdemanagement vor.
Aufgrund der Abwehrreaktionen und Verweigerungshaltung der Clubs griffen zwei Betroffene aus dem 2011er Test zur Klage auf Grundlage des AGG. Mindestens drei der sieben Klagen sind inzwischen in erster Instanz zugunsten der Kläger entschieden. Das heißt, dass das Vorliegen einer Diskriminierung gerichtsfest bestätigt und den Betroffenen ein Schmerzensgeld zugesprochen wurde. Einzelne Clubs haben sich im Zuge der Auseinandersetzung vor Gericht auf Mediationsverfahren eingelassen. Auch IHK und DEHOGA als zuständige Branchenverbände schalteten sich in die Debatte ein und präsentierten eine Selbstverpflichtung, mit der sich Clubs und Discotheken nominell für die Gleichbehandlung ihrer Gäste einzusetzen und die Einleitung verschiedener Maßnahmen ankündigten.
Einlass für alle?
Die Forderung nach einem „Einlass für alle“ meint nicht, dass es keine Möglichkeit zum Ausschluss von Gästen geben soll. Dafür braucht es allerdings transparente Kriterien (z. B. zum Dresscode, geschlossene Veranstaltungen, Erreichen von Kapazitätsgrenzen), die für alle gleichermaßen gelten. Und damit per se auch für Menschen mit Migrationshintergrund. Auch konkrete Verhaltensweisen wie aggressives Auftreten oder starke Alkoholisierungen rechtfertigen selbstverständlich den Ausschluss. Es muss allerdings eine konkrete Handlung vorliegen und keine Vorverurteilung, z. B. wegen einer anderen Hautfarbe.
Statt sich Abwehrreflexen hinzugeben, wäre es zudem angebracht sich in die Situation der
Betroffenen hineinzuversetzen. Rassistische Türpolitik ist würdeverletzend und hinterlässt zumeist ein Gefühl der Ohnmacht. Die Tests von ADB und Stura haben dazu beigetragen, das Problem sichtbar zu machen und Betroffene ermutigt, sich dagegen zu wehren. Sie haben also die vollkommen unterbelichtete Perspektive der Menschen, die Rassismus erleben müssen, gestärkt. Und das ist gut so.
Die Auseinandersetzung mit Alltagsrassismus muss allerdings viel weiter gehen. Sie betrifft über die Türpolitik hinaus auch die Atmosphäre und die eigene Haltung bei Partys, auf der Straße, in der Uni und anderswo. Lasst uns unsere Räume so einrichten, dass alle sich darin wohl fühlen können, ohne auf äußere Merkmale, auf Herkunft oder auch Geschlecht reduziert zu werden! Boykottiert Clubs und Diskotheken, wo Diskrimierungen stattfinden! Schaut nicht weg, wenn ihr alltäglichen Rassismus seht!
luna
Fußnoten:
(1) Alles Wissenswerte über rassistische Einlasskontrollen in Leipzig findet sich hier: http://adb.sachsen.de/rassistische_einlasskontrollen.html
(2) Das äußere sagt nichts darüber aus, wo mensch geboren und aufgewachsen ist oder welchen Pass er/ sie hat.