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Vielfalt: Was Kultur, Kulturpolitik und Handy-Ladekabel voneinander unterscheidet. Oder auch nicht. Mein Beitrag zur Global Space Odyssey am 23. Juli 2016.
Was bedeutet Vielfalt für Dich?
Kaum etwas ist schneller ruiniert als eine Monokultur. Dieser Gedanke ist so elementar, dass er den Anfang und das Ende jeder Debatte darstellen muss. Kultur erreicht ihre Wirkungskraft erst in ihrer Vielfalt, in der Reibung als Bewahrung oder Zerschlagung, zwischen Ungewohntem und Bekannten, im Spannungsfeld von Ablehnung und Zuneigung. Ein alles gleich schaltender Konsens darüber, was Kultur ist, nimmt jedem von uns die Möglichkeit, sich auszuprobieren oder die Mittel der Kunst zu gebrauchen, um sich selbst zu erkennen.
Unter den Trümmern der Opernhäuser von heute liegen die Steine für die Skateboard-Bahnen von morgen, welche die Barrikaden von übermorgen stützen könnten, aus denen vielleicht die Raumschiffe der Zukunft gemacht werden. Selbst in ihrer Demontage und Entfremdung bleiben sie bei uns – eben nur anders. Vielfalt ist das Gegenteil von Einfalt und Einfalt ist das Gegenteil von dem, was ich will.
Warum ist Vielfältigkeit wichtig für die kulturpolitische Szene?
Launige Binsenweisheit olé: Eine Gesellschaft ist niemals homogen. Daher ist es wichtig, dass jedes Mitglied dieser heterogenen Menge seinen Platz findet, um sich selbst erfahren zu können. Gerade damit aus dieser Vielfalt der Menschen keine tumbe Masse wird, muss eine Kulturpolitik so gestaltet sein, dass alle ihre Nische darin finden, ganz gleich wie laut, groß, ausgefallen, befremdlich oder absurd es auf den ersten Blick auch wirken mag.
Tatsächlich sind dies keine neuen Erkenntnisse. »Eine Silbe ist nicht die Summe ihrer Laute: ba ist nicht dasselbe wie b plus a, und Fleisch ist nicht dasselbe wie Feuer plus Erde«, wusste schon Aristoteles. Damals rannten hier übrigens alle noch durch den Wald und dachten, dass Gott zu ihnen spricht, wenn es donnert. Später begannen sie dann, sich aus den benachbarten Hochkulturen zu bedienen. Auch wenn viele Deutsche das vergessen haben: Was ihr als so unendlich ursprünglich im Land der Dichter und Denker verortet, sind wunderbare Weiterentwicklungen, die ursprünglich ganz woanders her stammten.
Wenn die kulturpolitische Szene ein Koffer wäre, was würde er beinhalten?
Unter Umständen läge in diesem Koffer nur ein einziges Buch. In ihm stünde das Rezept der Überwindung der Kulturpolitik. Allen Menschen muss klar werden, dass Vielfalt in fast allem ein erstrebenswerter Zustand ist, da von ihm fast alle profitieren – außer bei diesen Kabeln zum Aufladen von Smartphones, da dürfte man sich endlich mal auf ein Format einigen. Es bräuchte keine politisch wachende und organisierende Instanz, die Gelder verteilt und Freiräume schafft. Sie wären in unser aller Interesse und durch uns immer garantiert.
»Radikal« nennt man heute schon den Gedanken an die Freiheitsgarantie der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Diese Abwertung muss aufhören. Vielleicht schaffen wir es gemeinsam, jeden Menschen zu ermuntern, uns mit seiner Kultur heraus zu fordern. Wer keine Alternativen zulässt, erliegt früher oder später der Illusion der Kontrolle. Aber da ich niemanden zurück lassen mag, lege ich in den Koffer noch etwas Ohropax. So habe ich meinen Spaß und er seine Ruhe.