Seit mehreren Monaten wird landauf, landab über ein zeitgemäßes Urheberrecht, eines das dem digitalen Zeitalter entspricht, diskutiert. Mitten in diese Debatte stieß die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) mit einem Vorschlag für die Veränderung der Tarife für Musikveranstaltungen. Das Vorhaben der Verwertungsgesellschaft erregt inzwischen die Gemüter nicht nur von betroffenen Clubs und VeranstalterInnen, sondern sorgt auch unter Kulturschaffenden, bei NetzaktivistInnen, in der Politik oder bei Wirtschaftsverbänden für Diskussionen und Protest. Wieder aufgegriffen wurde eine Initiative zur Gründung einer neuen Verwertungsgesellschaft – C3S – die UrheberInnen, die mit freien oder Creative-Commons-Lizenzen arbeiten, eine Alternative zur Gema anbieten will.
Die GEMA ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Als staatlich anerkannte Treuhänderin verwaltet sie die Rechte von über 64.000 Mitgliedern, aufgrund von Wahrnehmungsverträgen mit ausländischen Verwertungsgesellschaften zusätzlich von etwa zwei Millionen Berechtigten im Ausland. Die GEMA sorgt dafür, „dass das geistige Eigentum von Musikschaffenden geschützt und sie für die Nutzung ihrer Werke angemessen entlohnt werden.“
Leider gibt es aber sowohl bei der Erhebung der Gebühren als auch bei der Verteilung der Einnahmen an die UrheberInnen mehrere Haken. Zu den klaren VerliererInnen zählt dabei die elektronische Musikszene. Ausgerechnet hier wird die kräftige Erhöhung der Lizenzgebühren ab 2013 am deutlichsten zu spüren sein. Einige Clubs fürchten eine existenzbedrohende Mehrbelastung.
Auch wir – ein Aktionsbündnis aus Vertretern der Clubs, von Veranstaltern, DJs, Künstlern und Interessierten – wollen daher darauf hinweisen, welche Auswirkungen diese Reform für die hiesige, vielfältige Kulturlandschaft haben wird. Gleichzeitig wollen wir auch Raum für eine grundsätzliche Diskussion um die Monopolstellung der GEMA und ihre intransparente und ungerechte Arbeitsweise und Verteilung sowie für die Debatte um ein zeitgemäßes Urheberrecht bieten.
Deshalb wurde ein Forderungskatalog mit den folgenden Erläuterungen erarbeitet:
– Für verträgliche Tarife zwischen GEMA und Musiknutzern
– die Musikkultur stärken
– Für ein Miteinander von Veranstaltern, Urhebern, Musikern und Verwertern
Kurzfristig
1.Die für dem 01.04.2013 angekündigten neuen Tarife sollen nicht in Kraft treten sondern neu verhandelt werden
2.Berechnungsgrundlage für GEMA-Gebühren sollen generell auf den Nettoumsätzen basieren
3.Abkopplung der GVL Gebühren von den GEMA Gebühren
4.Einführung eines Tarifes für Veranstaltungen mit Nachwuchskünstlern
Langfristig
1.Die Abrechnung der Musiknutzung soll Titelgenau erfolgen
2.Die GEMA wird verpflichtet, den Musiknutzern Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, dass diese auf einfache und nachprüfbare Weise zu jeder Veranstaltung Titelfolgen erstellen und danach abrechnen können.
3.Abschaffung der GEMA Vermutung
4.Festlegung aller Tarife der GEMA und GVL durch ein unabhängiges Gremium
5.Die GEMA soll in Zukunft besser kontrolliert werden
Begründungen
1. Die für dem 01.04.2013 angekündigten neuen Tarife sollen nicht in Kraft treten
Die sogenannte Tariflinearisierung der GEMA führt zu Kostensteigerungen von bis zu 1500% für die Nutzung von Urheberrechten. Dies wird von der GEMA unter anderem damit begründet, dass gemäß eines Schiedsspruches des Deutschen Patent- und Markenamtes eine Gebühr vom 10% der Bruttoerlöse angemessen ist.
Abgesehen von der Frage der Angemessenheit der Höhe der neuen Tarife ist es keinem seriös arbeitenden Unternehmen möglich, innerhalb eines derart kurzen Zeitraumes zwischen Veröffentlichung und Inkrafttreten auf Kostenerhöhungen in diesem Ausmaß zu reagieren.
Weiterhin liegen bei vielen Betrieben die Belastungen unter Einbeziehung der Abgaben an die GVL (Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsrechten) bei bis zu 50% der Bruttoeintrittseinnahmen.
Dies führt zu existenzbedrohenden Szenarien. Zwar stellt die GEMA auf eine sogenannte Härtefallregelung ab. Dies ist jedoch eine Kann-Bestimmung und aufgrund des Verhaltens der GEMA in den letzten Jahren ist dies keine für Musiknutzer verlässliches Regelung.
2. Berechnungsgrundlage für GEMA-Gebühren sollen generell auf den Nettoumsätzen basieren
Warum soll ausgerechnet für die Berechnung von Umsatzbezogenen GEMA-Gebühren, wie z.B. beim Tarif U-K festgelegt der brutto-Umsatz als Berechnungsgrundlage herangezogen werden?
Hiervon überweist der Musiknutzer, d.h. Veranstalter den gesetzlichen Umsatzsteuersatz an das Finanzamt. Die Umsatzsteuer, die in den Eintrittspreisen enthalten ist, gehört dem Staat. Weder GEMA noch Veranstalter dürfen damit rechnen.
Durch die brutto-Umsätze wird der prozentuale Anteil der GEMA-Gebühren an den Umsätzen einer Musikveranstaltung verzerrt. Die brutto-Regelung birgt große Risiken, da kein Einfluss auf die Gesetzeslage besteht. Was passiert, wenn die Umsatzsteuer im Zuge der Finanzkrise erhöht wird?
3. Abkopplung der GVL Gebühren von den GEMA Gebühren
Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Wert von Leistungsschutzrechten z.B. der Plattenfirmen eine direkte Abhängigkeit von Urheberrechten beträgt.
In den letzten Jahren ist der Anteil von Tonträgern bei der Veröffentlichung von Musik immer weiter gesunken, andere Vertriebswege, allem voran über Downloadportale, nehmen immer weiter zu. Es werden daher immer weniger Tonträger erzeugt, weshalb Leistungsschutzrechte im Bereich der Musiknutzung immer mehr an Bedeutung verlieren.Abschaffung der GEMA Vermutung
4. Einführung eines Tarifes für Veranstaltungen mit Nachwuchskünstlern
Für bestimmte Veranstaltungsformate, wie z.B. Konzert mit Nachwuchskünstlern sollte nur eine sehr geringe oder gar keine GEMA fällig werden. Das gesellschaftliche Interesse an einer vielfältigen Musiklandschaft wird durch das Veranstalterrisiko bei Newcomer-Künstler unter Umständen weiter gefährdet. Alle profitieren von einer funktionierenden Nachwuchsarbeit. Musiknutzer, bzw. Veranstalter sollen das Risiko solcher Veranstaltungen auch in Zukunft vertreten können.
5. Die Abrechnung der Musiknutzung soll Titelgenau erfolgen
Momentan wird ein Großteil der von der GEMA aus Musikveranstaltungen erzielten Einnahmen pauschal über einen schwer nachvollziehbaren internen Verteilerschlüssel abgerechnet. Dieser Verteilerschlüssel stellt darauf ab, welche Musik aktuell am populärsten ist bzw. durch Erhebungen aufgrund sogenannter Blackboxen. Diese Vorgehensweise verzerrt die Realität erheblich und benachteiligt unbekannte Künstler oder Spartenmusik erheblich. Aus diesem Grund ist als nächster Schritt nach Punkt 4 dieses Forderungskataloges ab Einführung der genannten Werkzeuge eine Abrechnung nach Titelfolgen zwingend.
Dadurch wird es dann ebenfalls möglich sein, nur GEMA-pflichtige Musik abzurechnen, die unrechtmäßige Erhebung von Gebühren von nicht durch die GEMA geschützter Musik kann dadurch verhindert werden.
6. Die GEMA wird verpflichtet, den Musiknutzern Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, dass diese auf einfache und nachprüfbare Weise zu jeder Veranstaltung Titelfolgen erstellen und danach abrechnen können.
Die technische Entwicklung in den letzten Jahren hat die elektronische Musikerkennung drastisch vereinfacht. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass bei entsprechender Forschung es zeitnah möglich wird, Werkzeuge zu entwickeln, die auf elektronischem Wege die Musikerkennung und Erstellung von Titelfolgen ermöglicht.
Forschungen auf diesem Gebiet finden zum Beispiel in den Niederlanden statt. Die GEMA wird verpflichtet, entsprechende Mittel für eine Entwicklung dieser Werkzeuge zur Verfügung zu stellen.
7. Abschaffung der GEMA Vermutung
Durch Rechtsprechung wurde die sogenannte GEMA-Vermutung festgestellt. Diese besagt, dass mit Sicherheit davon auszugehen ist, dass bei einer Musikveranstaltung immer GEMA-pflichtige Musik gespielt wird und daher immer die volle GEMA-Gebühr zu entrichten ist.
Dies war bis von 20 Jahren möglicherweise richtig, das aufgrund technischer Gegebenheiten Musiker immer auf große Plattenfirmen angewiesen waren um ihre Werke zu veröffentlichen.
Durch technische Entwicklung seit Ende der 80er Jahre ist es jedoch einfacher geworden, auf diese Abhängigkeit zu verzichten und gerade im Bereich der elektronischen Musik zeigt sich, dass viele Künstler zunehmend ihre Musik selber veröffentlichen und anderer Vertriebswege als klassischen Tonträgerverkauf nutzen.
Weiterhin wird das Einkommen weniger durch die Veröffentlichung als durch Auftritte erzielt, besonders kleinere Künstler betrifft dies.
Das hat zur Folge, dass der Anteil GEMA-pflichtiger Musik immer mehr abnimmt und bei Veranstaltungen teilweise unter 50% liegt.
Die GEMA-Vermutung kann daher in dieser Form nicht mehr aufrecht erhalten werden.
8. Festlegung aller Tarife der GEMA und GVL durch ein unabhängiges Gremium
Die Gema besitzt in Deutschland ein Monopol bezüglich der Verwertung von Urheberrechten im Bereich Musik, die GVL im Bereich der Leistungsschutzrechte. Das Urheberrecht als Eigentumsrecht ist nach Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz geschützt, soll jedoch nach § 14 Absatz 2 GG auch der Allgemeinheit dienen.
Die Tarifreform der GEMA, die zum 01.04.2013 in Kraft treten soll, zeigt einmal mehr, dass die GEMA dieser Forderung nicht gerecht wird.
Durch massive Kostensteigerungen um bis zum 1500% werden die Nutzer der Urheberrechte in ihrer Existenz bedroht. Anderslautende Aussagen der GEMA, wonach 60% der Nutzer entlastet werden, sind falsch und konnten bisher von der GEMA nicht begründet werden.
Aus diesem Grund muss in Zukunft solchen Vorgehensweisen Einhalt geboten werden.
Das Gremium soll sich zusammensetzen aus Urhebern, Urheberrechtsnutzern, Vertretern von Kultur und Wirtschaft, sowie Fachanwälten des Urheberrechts. Beschlüsse sind einstimmig zu verabschieden.
9. Die GEMA soll in Zukunft besser kontrolliert werden
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat sich als zu schwache Kontrollinstanz für die Vorgehensweisen der GEMA, intern sowie extern, erwiesen. Wir schlagen vor, die Kontrolle dem Bundeskartellamt oder einer Regulierungsbehörde ähnlich die für die Telekommunikation zu übertragen.
Folgende Themen sollten einer Prüfung unterzogen werden:
· Angemessenheit der Tarife
· Angemessenheit der internen Verteilerschlüssel der GEMA
· Rechtmäßigkeit der sogenannten GEMA – Vermutung
· Überprüfung der Vereinbarkeit der Geschäftstätigkeit der GEMA mit ihrer eigenen Satzung