Erstarkender Rechtspopulismus, Pandemie, Hate Speech in den sozialen Medien und andauernder Krieg auf dieser Welt lassen die Zukunft in einem dystopischen Licht erscheinen. Das gemeinsame Erleben von Musik hingegen kann Menschen vereinen und sowohl physische als auch psychische Grenzen abschaffen. Als einer von vielen Wegen Musik zusammen zu erleben, spielt die Clubkultur eine bedeutende Rolle. Sie ist nicht nur Anlaufpunkt für den Genuss von Musik, sondern auch ein Ort wo sich fortschrittliche Ideen im Rhythmus der Sounds treffen und ausgelebt werden können. Das wirkt sich auch auf die Gesamtgesellschaft aus. Ohne Clubs würde uns nicht nur ein bedeutender Teil an Kultur fehlen, sondern auch die Möglichkeit uns gemeinsam zu verbessern und weiterzuentwickeln.
Dass Clubkultur zur Kunst gehört und darüber hinaus eine wesentliche Bedeutung als Raum für soziale Interaktion und für den Zusammenhalt der Menschen hat, wird nun mehr und mehr gesellschaftlich anerkannt. Clubs haben in der Pandemie sowohl finanziellen Halt als auch eine breite Unterstützung durch die Gesellschaft erfahren. Zum Beispiel erarbeitet Leipzig zusammen mit Kollektiven wie dem VAK ein Freiflächenkonzept, sodass das Feiern unter freiem Himmel endlich legal wird.
Das Erreichen dieser Forderung ist ein Meilenstein für die GSO! Nun dürfen wir nicht damit aufhören, unsere Forderungen auch weiterhin laut zu rufen. Clubs sind nach wie vor von Verdrängung bedroht und hangeln sich von Jahr zu Jahr mit stetiger Angst um ihre Existenz.
Wenn wir darüber sprechen, was in den Clubs passiert und was es uns Wert ist, diese Räume zu erhalten, reden wir oft von Utopien des menschlichen Zusammenlebens. Wir wollen Räume errichten in denen alle willkommen sind und sich authentisch und sicher ausleben können.
Wir sehen die Clubkultur als einen Zufluchtsort, an dem Utopie versucht wird, die wir oft im Alltag vermissen. Diese zu schaffen und für alle aufrecht zu erhalten bedarf Feingefühl, Rücksichtnahme, stetiger Verbesserung und Selbstreflexion. Im schnelllebigen Alltag fehlt dafür oft die Zeit und Aufmerksamkeit, im Club können wir sie uns schenken und so eine unseren Vorstellungen entsprechende bessere Realität schaffen. Und wenn wir das tun, müssen wir anerkennen, dass wir nicht frei von Fehlern sind. Und deshalb liegt der Fokus der diesjährigen GSO auf unserem Status Quo und der Frage:
Können wir nach 2 Jahren Pandemie einfach weitermachen wie vorher?
Wie viele Bereiche im Leben, bleibt auch die Clubkultur von den Gesetzen des Kapitalismus nicht unberührt.
Angebot und Nachfrage sind leider durchaus bestimmende Kategorien. Wir beobachten Phänomene wie Preisdumping, Egoismus, Kommerzialisierung, Vitamin B-Wirtschaft und allgemein unfaire Methoden im Umgang miteinander. Das betrifft alle Künstler:innen, Kollektive, Veranstaltende und Clubs gleichermaßen.
Wir müssen hier hinterfragen:
Wie weit hat sich die gängige Praxis von den Idealen der Musik- und Clubbewegung entfernt?
Im selben Kontext bieten diese Verhältnisse auch den Nährboden für Diskriminierung. In den vergangenen zwei Jahren wurde intensiver über die Wege zur Abschaffung patriarchaler und rassistischer Systeme diskutiert, die zur Marginalisierung von Personengruppen wie FLINTA* und BIPoC’s beitragen. Auslöser für dieses beginnende Umdenken hin zu mehr Rücksichtnahme im Miteinander waren auch die vielen Vorfälle sexualisierter und rassistisch motivierter Gewalt: Monis Rache, #ourbodiesnotyours, “Täter an den Decks ”, „Das Patriarchat hat Gästeliste“, “Clubkultur & Politik IV: Diversität? Rassismus. ” und viele mehr. Vorfälle, die uns noch mehr wachrütteln und ein Wegschauen unmöglich machen sollten. Damit Sexismus, Rassismus und anderes diskriminierendes Verhalten zur Ausnahme werden, müssen wir uns als Mitwirkende der Clubkultur fragen:
Wie kann Clubkultur zu einem echten safer space für ALLE werden?
Das Motto der GSO 2022 lautet:
Reset the Preset
Es soll als Fragestellung an alle verstanden werden: Was können wir besser machen? Fragen können bewegen und wir können uns bewegen, nicht nur zu treibenden Sounds. Lasst uns diese unbequemen Themen angehen, es ist eine wirklich wichtige Chance für uns und die gesamte Gesellschaft. Gefüttert von der unbändigen Energie von Musik und Tanzen, können wir das auch meistern.
Lasst uns wieder auf die Straße gehen und gemeinsam an uns arbeiten!